Vegan ohne Hype – Interview mit Dr. Sebastian Steinemann

Pflanzenwissenschaftler, Veganer, Kraftsportler und Buchautor. Beste Vorraussetzungen für eine spannende Lektüre! Dr. Sebastian Steinemann hat uns mit seinem neuen Buch Vegan ohne Hype wirklich überrascht. Zu unserer großen Freude, konnten wir ihn für ein ausführliches Interview gewinnen. Neben Hintergründen zum Buch, gibt es persönliche Insights in das Leben des Autors. Viel Spaß beim Lesen!

Hallo Sebastian! Bitte stelle dich einmal kurz vor.

Dr. Sebastian Steinemann Vegan ohne Hype

Hallo Zusammen, erstmal danke für die Einladung zu diesem Interview!

Geboren bin ich im Schwabenland, Bad Cannstatt. Seitdem durfte ich im Zuge von Studium, Promotion und Job in Stuttgart Hohenheim, Freising, München und Köln leben.

Mich hat es gereizt, Neues zu sehen und zu erleben, darum bin ich im Moment hier und da unterwegs. Ich finde den Gedanken des ortsunabhängigen Arbeitens sehr interessant. Das ist quasi mein aktuelles, persönliches Experiment, diese Ortsunabhängigkeit mit jedem Für und Wider am eigenen Leib zu erfahren.

Ich finde den Gedanken generell reizvoll, manche Dinge sehr intensiv auszuprobieren- um nach dieser intensiven Phase dann sagen zu können: “Ist was oder ist nix”. Das können Dinge wie Lebensweisen, Jobs oder Routinen sein. Das ist wieder so ein Experimentier-Gedanke. Vielleicht hört sich das ja total strange von außen an. Muss irgendwie mit meiner naturwissenschaftlichen Ausbildung zu tun haben.

Seit wann lebst du vegan und wie ist es dazu gekommen?

Gefühlt bin ich relativ spät zum Veganismus gekommen. Aber das wird wohl jeder leidenschaftliche Fulltime-Veganer von sich behaupten.

Ich lebe nun seit 2 Jahren vegan. Zuvor war ich gute 2 Jahre vegetarisch. Es waren zwar längere Episoden ohne tierische Lebensmittel dabei, korrekterweise sollte ich aber sagen, das war eine vegetarische Zeit.

Eigentlich eine ganz klassische Geschichte. Gesunde und funktionelle Ernährung waren schon immer eine Leidenschaft von mir, die ich autodidaktisch gepflegt habe. Aber ich hatte recht starke Glaubenssätze, was den Sport anbelangt. Kraftsport und Gewichtheben waren mir sehr wichtig. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie das ohne tierische Produkte funktionieren soll. Jeden Tag gab‘s Eier, Whey und Fleisch oder Fisch, das ganze Programm. Im Grunde wusste ich, dass ich das für die Tiere lassen wollte. Aber Glaubenssätze und Verdrängung waren stark.

Letztlich habe ich ein Buch gelesen, das den Durchbruch brachte. Ich muss gestehen, ich kann mich nicht mehr erinnern, wie es heißt, ich hab’s schon öfter gesucht und nicht gefunden. Die Message des Buches allerdings, die mich letztlich dazu gebracht hat, Fleisch und andere tierische Produkte zu überdenken, war: Wenn du Erfüllung willst, für dich und die Menschen um dich herum, dann solltest du schleunigst nach deinem Herzen leben.

Hast du eine Morgenroutine und falls ja, wie sieht diese aus?

Da muss ich mich als Nerd outen. Ich liebe Morgenroutinen. So früh morgens, wenn es noch ganz ruhig ist und die Sonne noch auf sich warten lässt, das hat was ganz Magisches, finde ich. Und diese Magie trage ich mit der Morgenroutine irgendwie in meinen Tag und in mein Leben.

Jeden Morgen mache ich als erstes meine Mobility-Routine. Die geht vom Kopf bis zu den Zehenspitzen und enthält viele CARs (Controlled Articular Rotations). Seit ich das jeden Tag mache, bin ich bei so gut wie allen körperlichen Gebrechen beschwerdefrei. Shoutout bei der Gelegenheit an Niels Baum vom Noch3 in Köln, super und fähiger Typ!

Nach dem körperlichen Ölen kommt das mentale dran. Da hab ich einen Pool, aus dem ich wähle, je nach Stimmung und Gefühl. Favoriten mit massiver Wirkung für mich sind Dankbarkeit üben, Affirmationen, Visualisierung oder einfach schlichte Meditation.

Da fällt mir ein, Atemübungen sind auch sehr geeignet, um Power und Zuversicht zu tanken, bevor der Tag losgeht. Sollte ich auch mal wieder einbauen. Kapalabhati oder Gorilla aus dem Pranayama sind hilfreich.

Was hat dich dazu bewegt, ein Buch zur veganen Ernährung zu schreiben?

Letztlich der Wunsch, so vielen Menschen wie möglich auf dem Weg zur pflanzlichen Ernährung Inspiration und Impulse zu geben.

Du hast ein Diplom in Agrarbiologie und einen Doktor in Pflanzenzüchtung. Wie hat dies deine Arbeit zu Vegan ohne Hype beeinflusst?

Ich würde sagen grundlegend. So wie alle anderen Episoden und Erfahrungen in meinem Leben zuvor auch. Im Speziellen habe ich durch die Promotion, die Arbeit in der Wissenschaft und das Publizieren in wissenschaftlichen Fachzeitschriften eine sachliche Denkweise adaptiert. Das hört sich trocken an und ist es wohl auch oft für Außenstehende J. Das ist wirklich eine meiner Herausforderungen und zugleich aber auch die große Chance: An der Schnittstelle von Forschung und populären Texten wichtige Erkenntnisse herausdestillieren.

Viele Fachgebiete aus meiner Ausbildung wie Biochemie, Genetik oder Molekularbiologie sind themenübergreifend sehr ähnlich. So geht es bei den Pflanzen zum Beispiel um Gene, die zu mehr Ertrag führen, beim Menschen dagegen um Gene, die verantwortlich für Krebs oder andere Krankheiten sind. Das Prinzip dahinter, wie Gene organisiert sind, wie man so etwas untersucht etc. ist aber sehr ähnlich. Davon profitiere ich konstant und ich hoffe auch meine Texte.

Das Bedürfnis nach Transparenz und so handfesten Belegen wie möglich kommt sicher auch durch meinen gelernten Beruf. Das wird sicher noch durch die heutigen Alternativen Fakten oder Fake News, die in jedem Medium zu finden sind, verstärkt. Bei Vegan ohne Hype war es mir wichtig, alles Gesagte mit Studien zu unterlegen und dem geneigten Leser auch die Möglichkeit zum Nachschauen zu geben.

Für wen ist das Buch gedacht?

Wie soll ich das sagen, ohne dass es sich zu anbiedernd anhört? Es ist tatsächlich für alle. Na gut, es ist für alle, die ernsthaft an pflanzlicher Ernährung interessiert sind und bereit sind etwas anzupacken.

Vegan ohne Hype Buch

Im ersten Kapitel von Vegan ohne Hype vertiefe ich zwar das Wunderbare an der eigenen Intuition und den großen Einfluss der Ernährung auf uns – beides kann sehr motivationsstiftend sein – doch das Buch ist nicht gemacht, um Menschen zu einer veganen Ernährung zu überreden. Dafür gibt es wirklich sehr viele Quellen (mein Blog, Proveg, Albert Schweitzer, Peta, Dokus en masse etc.)

Das Besondere am Buch und der enthaltenen Methode ist der intuitive und damit individuelle Charakter. Die Methode paart pflanzliche Ernährung mit der eigenen Intuition. Das macht sie extrem flexibel. Die Folge ist: Jeder kann die Methode für sich nutzen, einzig der Einstiegspunkt und die exakte Ausführung unterscheiden sich. Der Rahmen und das Ziel dagegen sind identisch – ein Schritt in Richtung einer komplett pflanzlichen, vollwertigen Ernährung, die nachhaltig funktioniert.

Weil die Methode mit pflanzlichem Protein arbeitet, ist das Buch auch für Menschen geeignet, die am Abnehmen und Zunehmen interessiert sind. Pflanzliches Protein innerhalb einer vollwertigen Ernährung hat einige Fähigkeiten, die helfen nachhaltig Fett abzubauen oder Muskeln zuzulegen.

Vegan ohne Hype ist damit nicht unbedingt für Sportler oder Abnehmwillige gemacht, letztlich passt die entwickelte Methode aber perfekt auch auf diese Anwendungen. Und das spielt die Methode auch aus.

Zu Deinem Buch gibt es einen kostenlosen Online-Kurs. Was hat es damit auf sich?

Das Buch liefert viel Inspiration, auch mal einen Blick über den Tellerrand und natürlich die Methode selbst. Mit dem Online-Kurs habe ich eine noch praktischere Ressource geschaffen, die aus über einer Stunde Video- und viel Übungsmaterial besteht.

Der Kurs deckt viele praktische Komponenten der Methode ab und die Umsetzung im Alltag. Als Plus enthält er noch weitere praktische Elemente, die nicht ins Buch gepasst haben. In einem Kapitel geht es zum Beispiel um effizientes und günstiges Einkaufen, in einem anderen darum, wie man am besten isst. Darum ist der Kurs auch unabhängig vom Buch nützlich für jeden, der die eigene pflanzliche Ernährung voranbringen möchte.

Den Kurs gibt es übrigens kostenlos für alle auf meiner Homepage.

Du bietest auf deiner Webseite persönliches Coaching an. Wie kann man sich so ein Coaching vorstellen?

Das ist von Fall zu Fall sehr unterschiedlich, so individuell wie die Herausforderungen der gecoachten sind. Ich biete zum Beispiel Impulse zu einem ganz bestimmten, abgegrenzten Thema an, das gerade die persönliche Herausforderung des gecoachten darstellt. Die individuelle Betrachtung, wie man das dann in den Alltag integrieren kann, ist mir wichtig dabei. Neben diesen spezifischen Impulsen biete ich auch komplette Betreuung an, die mehr auf die Stimmigkeit der ganzen Ernährung zielt und für länger ausgelegt ist.

So oder so biete ich aber immer erstmal ein kostenloses Orientierungsgespräch an. In dem schauen wir gemeinsam, wie die Zusammenarbeit aussehen kann und natürlich auch, ob wir uns miteinander wohl fühlen. Ich denke, der Wohlfühlfaktor ist da nicht zu unterschätzen. Das ist wie mit dem Lernen, wenn es Spaß macht, geht es unendlich viel einfacher.

Was würdest du einem Vegan-Einsteiger mit deinem heutigen Wissen raten?

Gute Frage. Ich würde sagen, jeder Schritt zählt.

Es ist völlig normal, nicht alles auf einmal zu machen. Es ist ein Prozess auf vielen Ebenen. Und das ist auch nicht verwunderlich bei den Informationen, mit denen wir unser ganzes Leben umspült werden.

Darum: Nicht entmutigen lassen und Schritt für Schritt vorangehen. Wichtig ist, dass du den Prozess heute gestartet hast. Der erste Dominostein ist gefallen. Damit bist du auf dem besten Weg und wirst dein Ziel auch erreichen.

Ein paar Empfehlungen zu gesunder, pflanzlicher Ernährung schaden sicher auch nicht. Dabei wird dann auch schnell klar, dass das absolut kein Problem ist.

Was unterscheidet “Vegan ohne Hype” von anderen Büchern zum Thema?

Alle meine Texte sollen den Leser aufgeklärter, mutiger und startklar zurücklassen. Vegan ohne Hype bedeutet Aufklärung durch die Entstehungsgeschichte und Hintergründe der Methode. Das Buch bedeutet ebenso Mut, den Mut eines jeden Lesers, sich mehr seiner eigenen Intuition und Bedürfnisse gewahr zu werden und auch danach zu leben. Mutig und aufgeklärt kommt der Leser dann bei der Methode an und ist nach dem Lesen absolut startklar, irgendetwas aus dem Buch in das eigene Leben zu bringen. So ist es zumindest gedacht.

Ich glaube die Kombination aus einem festen Rahmen, der Orientierung gibt und der eigenen Intuition ist etwas, das man nicht so häufig findet. Und im Grunde ist es ja auch ein Widerspruch. Rahmen und Freiheit. Zu viel Rahmen, wo ist dann die intuitive Freiheit? Zuviel Freiheit, wo ist dann die Führung? Der Rahmen im Buch ist aber relativ flexibel und die Methode lebt natürlich auch von der Eigeninitiative des Lesers.

Du arbeitest in deinem Buch mit einem Ampelsystem für unterschiedliche Lebensmittel. Wie funktioniert das und was ist der Vorteil?

Die Ampelfarben werden für Lebensmittel so eingesetzt, wie man es aus dem Straßenverkehr kennt. Das kennt jeder und es ist gleich klar. Aber Grün bedeutet zwar, gib‘ Gas, und Rot zeigt an, dass man Vorsicht walten lassen sollte. Ganz so restriktiv wie im Straßenverkehr ist es allerdings nicht. Wenn sich jemand bei Rot bedient, gibt es gewiss keine empfindlichen Strafen wie im Straßenverkehr.

Je nach Ziel in der Ernährung, also langfristige Wohlfühlernährung, abnehmen oder zunehmen, wird die Ampel etwas anders empfohlen. Die Farben nehmen also unterschiedlich große Bereiche des Tellers der Mahlzeit ein.

Im Grunde habe ich das in der Frage zuvor schon angeschnitten. Mit dem Ampelsystem ist es einerseits möglich, einen flexiblen Rahmen zu geben, der Orientierung stiftet. Auf der anderen Seite kann sich jeder innerhalb dieser Farben gemäß den eigenen Zielen und der aktuellen Herausforderung ausprobieren und den eigenen, sprichwörtlichen Schritt vorangehen.

Wenn du ein Werbeschild an allen großen Plätzen dieser Welt platzieren könntest – Was wäre darauf zu lesen?

Ich würde drauf schreiben:

Was ist deine Motivation? Jedes Mal, wenn du die Orientierung verlierst oder ein Hindernis auftaucht, ist das der Platz, wo du deinen Weg abermals startest.

Zum Abschluss noch deine Top-3 Buchtipps für unsere Leser

Masanobu Fukuoka- One Straw Revolution – Fukuoka entwickelt eine Art Zen-Landwirtschaft, die wichtige Gedanken der heutigen Permakultur-Philosophie entwickelt. Hat mich total fasziniert, weil ich als Permakultur-Designer sowieso Fan von „mit der Natur anstatt gegen“ bin und weil vieles auch auf das eigene Leben übertragbar ist.

Jack Kornfield- Meditation für Anfänger – Buch mit Audio-CD, um das Gelesene mit dem Autor in verschiedenen Meditationen umzusetzen. Finde ich besonders toll, weil es absolut simpel gehalten und auf das Wesentliche reduziert ist. So wie Meditation selbst.

Kurt Tucholsky zum Vergnügen – Ein kleines Reclam-Büchlein mit verschiedenen Auszügen aus seinem großen Werk. Zum kurz Reinblättern, inspirieren lassen, nachdenken und bewundern.

Lieber Sebastian,

vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast. Wir wünschen Dir weiterhin viel Erfolg auf deinem (veganen) Weg.

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